Mit Spannung wurden sie erwartet: die Ergebnisse der Interphone-Studie. Doch statt klarer Aussagen zu liefern, ist die Studie ein weiteres Exempel für das methodische Problem, an dem die Risikoforschung krankt. Die Interpretation der Ergebnisse zeugt zugleich von der Gefahr Risiken herunterzuspielen.

Bei der Interphone-Studie handelt es sich um eine bevölkerungsbasierte multi-nationale Fall-Kontroll-Studie über die typischsten Gehirntumore Gliome und Meningeome. An der Studie nahmen 21 Wissenschaftler aus Europa, Israel, Kanada, Australien, Neuseeland und Japan teil sowie eine Studiengruppe bestehend aus 5200 Krebspatienten und 7700 Kontrollpersonen. Die Probanden wurden zusätzlich, gemessen an der am Handy verbrachten Gesamtzeit, in zehn Gruppen unterteilt.

So genannte „intensive Nutzer“ verkörpern Handynutzer, die ungefähr zehn Jahre lang jeden Tag eine halbe Stunde das Mobiltelefon genutzt haben. Diese Vieltelefonierer würden überproportional häufig an Krebs in einem Schläfenlappen erkranken. Die Gefahr an Krebs zu erkranken steige um 40 Prozent. Des Weiteren sei jene Kopfhälfte deutlich stärker betroffen, an der die Patienten gemäß ihrer Erinnerung nach das Handy gehalten haben. Dieses Ergebnis ist für den Epidemiologen Eberhard Greise ein widerspruchsfreies Bild: „Eine hohe Dosis Strahlung führt im betroffenen Gewebe zum Ausbruch eines seltenen Tumors“.

Jedoch steige in der Studie das Risiko in den weiteren Gruppen nicht proportional zum Handygebrauch. Die Kausalität zwischen Handy gleich Tumor bestünde somit nicht.

Dieser starke Gegensatz ruft einerseits konträre Interpretationen der Ergebnisse hervor, was beispielhaft durch unterschiedliche Reaktionen zur Studie deutlich wird: „Krebsverdacht gegen Handys bleibt“, titelt die Süddeutsche. Im Gegensatz dazu heißt auf Spiegel Online: „ Mammutstudie bringt keine Hinweise auf Krebsgefahr durch Handys“, „Handys sind ungefährlich“ (Die Welt online) und „Keine Belege für Tumorgefahr durch Handystrahlung“ (handelsblatt.com).

Auf der anderen Seite wird die Frage nach methodischen Problemen in den Mittelpunkt der Diskussion erhöht: Befürworter des Risikos berufen sich auf die Aussagesicherheit von 95 Prozent, die dazu führe, dass man die widersprüchlichen Argumente nicht einfach als falsch abtun kann. Darüber hinaus haben weitere Analysen mit anderen Rechenmethoden das Risiko bestätigt und durch vergleichsweise Studien wurde für die gleiche Gruppe intensiver Nutzer ermittelt, dass Handygebrauch das Risiko einer Erkrankung um 25 bis 100 Prozent erhöht.

Dem gegenüber wird das Studiendesign per se kritisch diskutiert, weil in die Untersuchung nicht nur Fakten, sondern auch Erinnerungen eingeflossen sind. Beispielsweise gaben die Probanden an, mit welchem Telefontyp sie wie oft und wie lange in der Vergangenheit mobil telefoniert haben.

In Folge dessen lautet das Fazit der Interphone-Studie, dass der Krebsverdacht zwar nach Ansicht einiger Forscher erhärtet wird, die Studie aber keine handfesten Beweise liefert. Viele Konsumenten haben somit nur die Wahl, ihre persönliche Konsequenz zu ziehen, die zudem noch in Abhängigkeit zu dem Medium steht, durch das sie ihre Informationen beziehen.

Doch auch wenn kein durchgehender Zusammenhang zwischen Handy und Krebs hergestellt werden konnte, und die Mobilfunkindustrie die Ergebnisse zu ihren Gunsten auslegt, verdeutlicht der explizite Hinweis der Forscher auf das erhöhte Risiko bei den intensivsten Nutzern mindestens den Bedarf nach weiterer Forschung. Auch wenn es auf Spiegel Online folgendermaßen heißt: „Die Mainzer Statistikprofessorin Maria Blettner sieht nunmehr den Zeitpunkt für eine weitgehende Entwarnung gekommen: Handys würden mit großer Wahrscheinlichkeit keine Hirntumoren auslösen. ‚Ich würde momentan kein Geld mehr ausgeben, um dieser Frage weiter nachzugehen’, sagte Blettner, Direktorin des Instituts für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik an der Universität Mainz und Mitautorin der Interphone-Studie. ‚Es gibt wichtigere Probleme.’“

Doch insbesondere die Ergebnisse und der Umgang mit der Interphone-Studie zeigen, dass es Handlungsbedarf gibt: quantitativ und qualitativ.