
Handymast
Elektromagnetische Felder – Mobilfunk von H.-Peter Neitzke
Statistisch gesehen verfügt jeder Deutsche über einen Handyanschluss. Dabei sind sich die Fachleute über gesundheitliche Risiken weiterhin uneinig. Was passiert, wenn wir mit dem Handy telefonieren und welche Gefahren bestehen möglicherweise? Der Aufbau der digitalen Mobilfunknetze mit Zehntausenden von Sendeanlagen und die Allgegenwart der Mobiltelefone haben dazu geführt, dass der Mobilfunk mittlerweile die Hauptquelle hochfrequenter elektromagnetischer Felder ist, denen Menschen ausgesetzt sind. Nur in der unmittelbaren Umgebung von leistungsstarken Radio- und Fernsehsendern überwiegen deren Beiträge zur Gesamtbelastung.
Entwicklung des Mobilfunks
Mobilfunk gab es in Deutschland zwar schon seit Ende der 1950er Jahre, die alten Autotelefonnetze (A-, B- und C-Netz) hatten aber wegen der hohen Kosten nur wenige Kunden. Die Infrastruktur der Basisstationen konzentrierte sich auf Hauptverkehrswege und städtische Ballungsgebiete. 1992 begann der Aufbau der digitalen D- und E-Netze nach dem GSM- (Global System for Mobile Communication) Standard. Es kamen kleine und vergleichsweise billige Mobiltelefone auf den Markt, was zu einem rasanten Wachstum der Kundenzahlen führte. Mit UMTS (Universal Mobile Telecommunication Standard) wurde ein völlig neuer technischer Standard zur Übertragung großer Datenmengen eingeführt. Allerdings ersetzen die UMTS-Netze die GSM-Netze nicht, vielmehr werden diese parallel zueinander betrieben.
Zur Person
Dr. H.-Peter Neitzke
Geb. 1950, Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer des ECOLOG-Instituts für sozial-Ökologische Forschung und Bildung gGmbH, Hannover; Arbeitsgebiete u.a. Risikoanalysen, Technikfolgenabschätzung, Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Gesundheit und Umwelt. Die Mobilfunknetze bestehen aus vielen Funkzellen, die jeweils von einer Mobilfunkbasisstation bedient werden. Sowohl die Mobiltelefone als auch die Mobilfunkbasisstationen nutzen zur Informationsübertragung elektromagnetische Wellen, deren Intensität mit dem Abstand relativ schnell abnimmt. Folglich kann nur telefonieren, wer sich in der Nähe einer Mobilfunkbasisstation aufhält. Die Basisstationen empfangen die von den Mobiltelefonen ausgesandten Funkwellen und leiten die darin enthaltenen Informationen weiter. Umgekehrt senden sie selbst Funkwellen aus, um a) Informationen an die Mobiltelefone zu übertragen und b) die Informationsübertragung zu organisieren.
Elektromagnetische Felder beim Mobilfunk
Beim Mobilfunk werden Funkwellen mit Frequenzen im unteren Mikrowellenbereich benutzt. Für den GSM-Mobilfunk gibt es einen Frequenzbereich um 900 MHz; (GSM 900) und einen um 1800 MHz (GSM 1800). Für den Betrieb des UMTS-Mobilfunks sind Frequenzen im Bereich von 1.920 bis 2.170 MHz reserviert. Eine Besonderheit des GSM-Mobilfunks ist die gepulste Abstrahlung. Das heißt, das Mobiltelefon sendet nicht kontinuierlich, sondern überträgt die Informationen in schmalen Zeitfenstern 217 Mal pro Sekunde. Die Leistung, die von Mobilfunkanlagen abgestrahlt wird, hängt vor allem von der Größe der zu versorgenden Funkzellen ab, aber auch von der Art ihrer Bebauung. Bei den meisten GSM-Anlagen beträgt die maximale Sendeleistung 25 Watt. Sie könnte deutlich niedriger sein, wenn auf eine Mobilfunkversorgung für Innenräume verzichtet würde oder wenn Gebäude mit gesonderten Anlagen für die Innenraumversorgung ausgestattet würden. UMTS-Anlagen sind in der Regel für eine Sendeleistung von 20 W ausgelegt.
Mobilfunkbasisstation und Mobiltelefon können ihre Sendeleistung in den Sprachkanälen an die jeweiligen Erfordernisse für eine gute Funkverbindung anpassen. Ist der Abstand zwischen Station und Telefon gering und stören keine Hindernisse die Übertragung, senden sowohl Basisstation wie Telefon mit minimaler Sendeleistung. Bei schlechteren Empfangsbedingungen wird die Sendeleistung hochgeregelt. Beim GSM-Mobilfunk sendet das Telefon zu Beginn des Verbindungsaufbaus mit voller Intensität. Die Leistung wird dann schrittweise auf das tatsächlich erforderliche Niveau heruntergefahren. Beim UMTS-Mobilfunk wird die Sendeleistung dagegen von dem niedrigsten bis zu dem erforderlichen Wert hochgefahren.
Funkabstrahlung von Mobilfunkantennen
Die Abstrahlung der Funkwellen erfolgt bei den Basisstationen in der Regel über drei Sektorantennen. Diese werden so angeordnet, dass das gesamte Gebiet um die Station abgedeckt wird. Die Sektorantennen bündeln die Wellen zu einem Hauptstrahl, der in der Horizontalen relativ breit, in der Vertikalen aber sehr schmal ist. An der Antenne treten zusätzlich zu dem Hauptabstrahlkegel auch noch so genannte “Nebenkeulen auf, das heißt es gibt noch weitere Abstrahlungen in andere Winkelbereiche. Diese sind jedoch in der Regel deutlich schwächer als in der Hauptstrahlrichtung. Die Abstrahlung erfolgt bei den meisten Mobilfunkanlagen nicht exakt horizontal, sondern die Hauptstrahlrichtung ist etwas nach unten geneigt. Der Neigungswinkel beträgt in der Regel einige Grad. Aufgrund der Abstrahlcharakteristik der Mobilfunkantenne ist die Intensität direkt unterhalb der Antenne in der Regel deutlich geringer als in anderen Richtungen.
Die Funkwellen breiten sich von der Antenne (wie Lichtstrahlen) geradlinig aus. Die Stärke der elektromagnetischen Welle nimmt dabei mit größer werdendem Abstand ab. Sie verhält sich genauso wie das Licht einer Taschenlampe: Je weiter man sich von der Lichtquelle entfernt, umso größer ist der beleuchtete Kreis, umso geringer ist aber auch die Helligkeit in dem Kreis. Die Intensität im Strahl nimmt quadratisch mit dem Abstand ab: Ein 10-fach größerer Abstand verringert die Intensität auf 1/100 ihres ursprünglichen Wertes.
Die Stärke des elektromagnetischen Feldes, das eine Mobilfunkbasisstation an einem bestimmten Ort, etwa in einer Wohnung oder auf einem Spielplatz, hervorruft, hängt von vielen technischen und räumlichen Faktoren ab. Eine verlässliche Aussage zu den elektromagnetischen Belastungen in der Umgebung einer Mobilfunkbasisstation ist meist nur auf Grundlage von Messungen oder aufwändigen Berechnungen möglich.
Gesundheitsrisiken durch die Felder des Mobilfunks
Bisher gibt es nur sehr wenige Untersuchungen des Gesundheitszustandes der Bevölkerung in der Umgebung von Mobilfunkbasisstationen. Einzelne Studien deuten darauf hin, dass Anwohner von Mobilfunksendeanlagen möglicherweise häufiger an unspezifischen Symptomen wie Kopfschmerzen oder Konzentrationsschwäche leiden. Auch einzelne Laboruntersuchungen ergaben eine Zunahme von Symptomen wie Erregung, Verspannung und Angstgefühl, wenn die Probanden elektromagnetischen Feldern ausgesetzt waren, wie sie beim Mobilfunk verwendet werden.
In den Laboruntersuchungen wurde allerdings mit Intensitäten gearbeitet, wie sie beim Telefonieren mit dem Mobiltelefon auftreten. Diese liegen deutlich über denen, die nach den derzeit geltenden Grenzwerten für Anwohner von Mobilfunksendeanlagen zulässig sind. Das gilt auch für die meisten Untersuchungen der Einflüsse der Felder auf Gehirnfunktionen. Dabei wurden in einzelnen Fällen Veränderungen der Hirnpotenziale sowie Beeinflussungen der kognitiven Leistungsfähigkeit festgestellt.
Da Mobiltelefone in Körpernähe wesentlich höhere Felder verursachen als Mobilfunksendeanlagen, wurde das Krebsrisiko bisher vor allem bei Nutzern von Mobiltelefonen untersucht. In epidemiologischen Studien wird das Auftreten von Hirntumoren bei regelmäßigen Nutzern von Mobiltelefonen mit dem Auftreten bei Personen verglichen, die Mobiltelefone nie oder selten benutzen. In der Mehrzahl der Studien war das Hirntumorrisiko (siehe unten) für Personen, die Mobiltelefone seit weniger als fünf Jahren benutzt hatten, nicht erhöht.
Für Langzeitnutzer wurden dagegen in einigen Untersuchungen erhöhte Risiken für bestimmte Hirntumorerkrankungen festgestellt. Diese Ergebnisse sind aber noch mit großen statistischen Unsicherheiten behaftet, da es bisher nur wenige Personen gibt, die seit mehr als zehn Jahren intensiv mobil telefonieren. Wenn es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und dem Hirntumorrisiko gibt, dürfte sich dieser erst in einigen Jahren deutlicher zeigen: Hirntumoren haben oft Latenzzeiten von mehr als 20 Jahren, Mobiltelefone sind aber erst seit den 1990er Jahren weit verbreitet.
Eine Erklärung für die in Experimenten und epidemiologischen Studien beobachteten gesundheitlichen Auswirkungen gibt es bisher nicht. Es ist zwar wissenschaftlich eindeutig belegt, dass hochfrequente elektromagnetische Felder hoher Intensität zu Erwärmungen des Gewebes führen und dass dies gesundheitsschädlich sein kann. Welche biophysikalischen Mechanismen jedoch für die Effekte verantwortlich sind, die bei Untersuchungen am Menschen, an Versuchstieren, isolierten Organen und Zellkulturen bei deutlich niedrigeren Intensitäten beobachtet wurden, ist bisher nicht bekannt. Trotz Tausender von Untersuchungen ist auch noch nicht abschätzbar,
– welches Risiko mit Dauerbelastungen über viele Jahre verbunden ist,
– welche Auswirkungen die Felder auf den heranwachsenden Organismus haben, der auf viele andere Umwelteinflüsse empfindlicher reagiert als der ausgewachsene, und
– wie die Felder des Mobilfunks im Zusammenspiel mit anderen Umwelteinflüssen wirken.
Schutz vor den Risiken des Mobilfunks
Wissenschaftlich ist unstrittig, dass hochfrequente elektromagnetische Felder ab einer gewissen Intensität gesundheitsschädlich sind, weil das Gewebe zu stark erwärmt wird. Deshalb wurden die gesetzlichen Grenzwerte in Deutschland und vielen anderen Ländern so festgesetzt, dass diese (thermische) Wirkung sicher verhindert wird. Die vorliegenden wissenschaftlichen Befunde zeigen jedoch, dass Hochfrequenzstrahlung auch unterhalb der thermischen Schwellen biologisch wirksam ist. In einigen Ländern und Regionen gelten deshalb deutlich niedrigere Vorsorgewerte. Von Umwelt- und Verbraucherverbänden, Bürgerinitiativen und einigen Wissenschaftlern werden auch für Deutschland niedrigere Grenzwerte gefordert, über die Höhe ist man allerdings nicht einig.
Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass alles daran gesetzt werden muss, die elektromagnetischen Belastungen der Bevölkerung so gering wie möglich zu halten. Dies gilt besonders angesichts der weiteren Zunahme der elektromagnetischen Strahlung durch den Mobilfunk, aber auch durch viele andere neue Informations- und Kommunikationstechniken (wie schnurlose Telefone, WLAN, Bluetooth). Weitere Argumente sind die deutlichen Hinweise auf erhöhte Gesundheitsrisiken sowie die nach wie vor bestehenden Forschungslücken.
30. März 2009